Am 07. September luden Klimagemeinde Jenesien, Bildungsausschuss, Tourismusverein, Bauernbund, Handwerker zu einem Vortrag von Marc Zebisch mit anschließender Podiumsdiskussion.
Zahlreiche Interessierte kamen um den Ausführungen des Forschers an der Eurac beizuwohnen. Marc Zebisch betonte eingangs, dass er keine Angst machen wolle, aber anhand des Beispiels des (hoffentlich) extremen Wetterereignissen von 2022 aufzeigen möchte wie der Klimawandel funktioniert, aber auch welche Maßnahmen gegensteuern können.
Es gab heuer bereits im Frühjahr extreme Hitze in Indien und Pakistan, aber auch Deutschland meldete etwa 9000 Hitzetote mehr als im Durchschnitt. Der Felssturz an der Marmolata wurde ebenso genannt wie die Dürre in der Poebene und die Waldbrände des heurigen Jahres.
Der Klimawandel ist keine neue Entwicklung, aber seit dem Verbrennen fossiler Energien, ist die Konzentration des Co² in der Atmosphäre merklich gestiegen; bei Untersuchungen von Bohrkernen aus dem Polareis merkte man, dass die Konzentration seit über 800.000 Jahren immer wieder schwankt, allerdings üblicherweise nur bis 300 ppm und momentan liegt sie bei 400 ppm. Dieses Kohlendioxid, welches „zuviel“ in der Atmosphäre ist, hindert die UV- Strahlen am Wiederaustritt und provoziert so den Treibhauseffekt. Die gemessene Erderwärmung seit Beginn der Aufzeichnungen liegt bei 1,1 Grad Celsius, in Südtirol bei 2°. Das ist noch im Durchschnitt, da sich die Ozeane (zum Glück) weniger erwärmt haben, als das Festland.
Für uns heißt das konkret, dass sich insbesondere bei Mittelmeertiefs durch die wärmere Wassertemperatur mehr Wasserdampf in Wolken sammelt, und dann durch mehr warme Luft heftigere Gewitter mit mehr Wassermassen entladen. Auch die Trockenheit hängt damit zusammen; die wärmere Luft hat den sogenannten Jet-Stream, welcher in großer Höhe den Wechsel von Hoch- und Tiefdruckgebieten beeinflusst, abgeschwächt. Da der Luftstrom nun nicht mehr kontinuierlich von Westen nach Osten bläst, schafft er es nicht mehr stabile Wetterlagen weiterzutreiben; dass war in letzter Zeit häufig bei Schönwetterperioden der Fall, kann aber ebenso bei langanhaltendem Regen ausschlaggebend sein.
Dann präsentierte Marc Zebisch verschiedene Rechenmodelle zur Co² Einsparung. Das Europäische Parlament hat es sich zum Ziel gesetzt, Europa bis 2040 klimaneutral werden zu lassen. Klimaneutral bedeutet, dass genauso viel Co² gebunden wird, wie durch den Konsum, der Wirtschaft, des Verkehrs… ausgestoßen wird.
Auch ein Modell ohne Co²- Einsparungen zeigte der Forscher auf: bis 2100 würde sich die Erde um 4,4° erwärmen. Bereits bei 1,5° würde ein Kipppunkt erreicht und das viele Packeis in Grönland würde schmelzen und so das Meer um ca 7 m ansteigen.
Auch Südtirol will bis 2040 ein 0-Emissionenziel erreichen, momentan haben wir einen jährlichen pro Kopf- Verbrauch von etwa 5 Tonnen CO²; die graue Emission nicht einberechnet. Als graue Emission wird der Aufwand von im Ausland produzierten, aber bei uns verbrauchten Waren bezeichnet.
Als Beispiel nannte der Wissenschaftler den Zement, der bei einem Klimahaus A gebauten Haus verwendet wird; dieser hat einen etwa gleich hohen Co² Verbrauch bei der Herstellung/Gewinnung wie das Haus in den folgenden 40 Jahren durchs Heizen ausstößt.
Als Möglichkeiten zum Kohlendioxidsparen nannte Marc Zebisch:
Politische Maßnahmen (der Preis für CO²intensive Waren/Dienstleistungen wird steigen müssen)
Stärkung der Natur (Keine Versiegelungen mehr, Stadtbegrünung)
Verhaltensänderung der Gesellschaft (Kreislaufwirtschaft, weniger Fleischkonsum, mehr ÖPNV)
Technische Maßnahmen (CO² „Staubsauger“ der die Atmosphäre reinigt)
Als Abschluss seines Vortrags erklärte er nochmals, dass er keineswegs Angst verbreiten möchte, sondern die Existenz des Klimawandels aufzeigen, die für uns spürbare Klimakrise erklären wolle und für ein Miteinander zur Abwendung der Klimakatastrophe aktiv werden möchte.
Anschließend kam BM Paul Romen zu Wort, welcher die Besorgnis über die momentane Lage, nicht nur in Jenesien zum Ausdruck brachte. Er hob auch die bisherigen Aktionen hervor, wie die Einstufung zur Klimagemeinde, das Klimaassessorat, die Erneuerungen der Trinkwasserleitungen ecc.
Zwar sei die Klimakrise nicht wöchentlich auf der Agenda, aber doch sehr häufig. Als wichtigen Punkt nannte er auch die Seilbahn, da ein attraktives, öffentliches Nahverkehrssystem sicherlich in Zukunft immer wichtiger wird. Auch nannte er das Autoaufkommen am Wochenende ein „Überfahren werden“, dem so entgegengewirkt werden kann. Jenesien habe laut einer aktuellen Erhebung „nur“ einen CO² Ausstoß von etwa 4 Tonnen pro Bürger (immer ohne die grauen Emissionen). Zudem sei ein Klimaplan mit konkreten Zielen in Ausarbeitung. Er sähe auch die Einschränkungen nicht nur negativ, sondern als Chance.
Auch Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer folgte den Ausführungen des Bürgermeisters; Sie dankte allen Organisationen welche in jahrelanger, ehrenamtlicher Tätigkeit den Boden bearbeitet haben, auf dem nun der Klimaplan des Landes wachsen konnte. Sie brachte auch ihre Freude über die Veränderung zum Ausdruck. Nicht immer sei Verzicht schlecht, denn sie sieht im Klimaschutz auch Gesundheitsschutz.
Als Beispiel nannte sie die Bodenversiegelung, welche in den letzten 2 Generationen 6mal mehr wurde als in den Jahrhunderten vorher. Für die Politik mahnte sie an, dass sich die Prioritäten nun verschoben haben. Bisher wurde oft wirtschaftlichen Interessen mehr Gewicht zugeordnet, als dem Klimaschutz (also auch der Gesundheit des*der Einzelnen und der Natur). Es bräuchte eine Überarbeitung der bestehenden Gesetze, da z.B. die 2 Parkplätze pro Wohneinheit in Zukunft nicht mehr gebraucht würden, und sich so auch wieder Bodenversiegelung vermeiden ließe. Auch denkmalgeschützte Häuser, bzw. die Nutzung vorhandener Bausubstanz ist Klimaschutz. Besonders wollte sie dabei den Bürgern mitgeben, dass im Gemeindeentwicklungsprogramm die Partizipation sehr wichtig sein wird. Und ihr Slogan ist: Nachhaltiges Handeln ist Fortschritt.
Katharina Tschigg, Mitarbeiterin an der Eurac Bozen, meinte auf die Frage ob ihr das Gehörte reicht, „wann reicht es denn?“ Nein, es ginge immer noch mehr, und dieser Antrieb solle auch immer bleiben. Erfreut zeigte sie sich über die Veranstaltung, dass so ein Kommunikationskanal zwischen politischen Entscheidungsträgern, Bürgern und Verbänden geschaffen wurde, welcher hoffentlich bestehen bleibt. Wichtig ist für jeden sich zu hinterfragen wie groß ist mein Fußabdruck?
Als Maßnahmen gegen die Erderwärmung nannte sie auch einige Versuche, welche im Kleinen die Co² Reduktion erforschen. Aber eine zufriedenstellende Lösung wurde auch in der Wissenschaft noch nicht gefunden. Das Umdenken bei allen wird nötig sein!
In der anschließenden Diskussion ging es um Fragen wie:
Warum wird der Tourismus nicht einfach eingeschränkt? Die Replik von der Landesrätin war dass es sicher ein Umdenken geben muss, man aber nicht die Schuld bei einem Sektor suchen darf. Der Status Quo scheint schwer zu verändern, es ist auch nicht ihr persönlicher Bereich, aber vermutlich wird es in Zukunft ein Privileg sein in einem intakten Land zu Urlauben, welches möglicherweise auch nur bei mindestens 1 Woche Aufenthalt möglich sein wird. Bzw. dass es Regelungen wie in der Landwirtschaft geben werden könnte, je nach verfügbarer Fläche können eine maximale Anzahl an Gästen beherbergt, verpflegt werden.
Nochmals betonte sie, dass uns die Energiekrise zum Umdenken gebracht hat und wir nun immer zuerst auf uns selbst achten sollen und den eigenen Verbrauch im Auge behalten sollten.
Wie viel CO² wird bei der Herstellung und Entsorgung von Elektromotoren und Photovoltaikanlagen verbraucht? Sind diese tatsächlich die Lösung in der Klimakrise?
Marc Zebisch antwortete darauf, dass er nicht ein ausgewiesener Fachmann auf diesem Gebiet ist, aber dass die Entwicklung nicht dahin geht, dass wir die Verbrennungsmotoren einfach durch Elektromotoren ersetzen. Eher wird es mehr öffentliche PKWs bzw Busse, Seilbahn und Co geben. Inzwischen ist es ein Schritt um schnell den Co² Ausstoß zu verringern. Photovoltaikanlagen hingegen haben momentan durch die lange Lebensdauer und CO²- Neutralität nach 3-4 Jahren eine gute Klimabilanz.
Ist die Klimakrise vielleicht bewusst gesteuert, wir finden ja bereits Mikroplastik im Regenwasser?
Darauf haben sowohl Marc Zebisch als auch Katharina Tschigg einige Experimente zur Technischen Entfernung des CO² erläutert, die allerdings noch nicht ausgereift sind, bzw deren Folgen nicht ausreichend erforscht werden können.
Auf die Frage ob man auch die Seilbahn „upcyceln“ könnte, also bestehende Elemente nur durch neue Technik verbessern könnte, antwortete Bürgermeister Romen, dass dies die aktuellen Regelungen zur Sicherheit und technischen Standarts nicht zulassen, bzw eine nostalgische Fortführung der Seilbahn durch die hohen Personalkosten zu den nutzerunfreundlichen Betriebszeiten führen würden.
Eine Wortmeldung bezog sich auf die lange Zeit in der die Regelungen des CO² Ausstoßes bekannt sind, bereits in den 1960er Jahren gab es Untersuchungen, und in den 80ern nochmals ein Erstarken der „grünen Bewegung“ sowie in den 2000er die Pariser Klimaziele. Dass die Entwicklung des Klimaschutzes so lange verschlafen wurde, ist vor allem den Lobbys (Ölkonzerne/Automobilbranche/Energiekonzerne) geschuldet, die bewusst die Informationen zurückgehalten haben. Nun ist es 5 vor 12.
Ein Zuhörer fragte speziell die Politik ob ein Wille zum Umdenken da sei? Wenn in Zukunft weniger Autos fahren müssen, warum werden dann noch Gelder in Pläne für Großprojekte wie Untertunnelungen und Umfahrungen gesteckt?
Maria Hochgruber Kuenzer bekräftigte nochmals, dass man früher die Ist-Situation verbessern wollte, aber mithilfe des neuen Klimaplans eine bewusste Entscheidung für eine zukunftsfähige Planung der Infrastrukturen treffen kann. Es war bisher oft nicht so wichtig welche Folgen für die Natur Bodenversiegelung und ähnliches haben, sondern dass ein Ortskern entlastet wurde.
Nachdem das Fahrrad als emissionsfreies Transportmittel hinlänglich bekannt ist, wollte ein Besucher wissen ob auch in Jenesien ein Radwegenetz geplant ist? Darauf antwortete Paul Romen, dass tatsächlich ein gemeindeübergreifender Radweg über den Tschögglberg bis ins Sarntal geplant sei. Eigene Radwege an den Straßen im Gemeindegebiet hingegen wären platztechnisch nicht immer umsetzbar. Doch an der Talstation der Seilbahn Jenesien ist eine intermodellare Umstiegsplattform geplant, um die Erreichbarkeit der Arbeitsplätze zu ermöglichen.
Auch die Errichtung von gemeindeeigenen Photovoltaikanlagen an Stützmauern entlang der Straße wurde angesprochen; die Landesrätin berichtete davon, dass innerhalb der kommenden 2 Monate die Modalitäten des Landes Südtirol wie Photovoltaikanlangen angebracht werden können überarbeitet werden. Als zukunftsweisende Projekte nannte sie auch einen sogenannten Energieverbund, bei dem eine zentrale Anlage von mehreren Platten gespeist wird und auf mehrere Haushalte verteilt wird. BM Romen ergänzte, dass bereits jetzt das Anbringen von Photovoltaikanlagen relativ unbürokratisch gehandhabt wird, was als guten Willen der Politik gewertet werden kann.
Zur Überarbeitung der Regeln für Windkraftwerken konnte Frau Hochgruber berichten, dass auch hier etwas im Gange ist, aber die Beeinträchtigung der Umwelt durch Rotorenblätter und –Lärm nicht außer Acht gelassen werden kann.
Nach großem Applaus für alle Teilnehmenden verabschiedeten sich die Zuhörer.
Text: Maria Lamprecht
Fotos: Sabine Weithaler